ein paar Gedichte aus gut abgehangen

Telefonterror

Telefontiere überall
sie sitzen und warten
sie zermürben Dich mit ihrem Ruf
sie sind überall
sie locken Dich
sie vernichten Dich.

 

Sturmgesang

Der Blick wandert zwischen den Lamellen über’s Land:
die Pappeln schwanken,
die Tannen schütteln sich,
die Windräder sind abgestellt und beigedreht.
Das alte Laub - aus seinen Ecken gerissen -
wirbelt vereint mit Plastiktüten an den Straßenecken.

Am Achteck der Turmtraufe kommt und geht das Pfeifen,
durch die Schall-Luken drücken die Böen herein.

Im Sturm stehen und zugleich auch nicht:
im Innern des Dachreiters versteckt,
kann der Sturm mir nichts.

Hier sitz’ ich auf den obersten Stufen der Leiter,
den Kopf unter den beiden Glocken,
deren bronzenes Summen sich in die Windstöße mischt.
Leise,
nur für mich.
Ich bin
im b’ und g’ geborgen,

 

Die Wasser der Lethe bei Tungeln

Auf dem Weg nach Wardenburg,
kurz vor Tungeln,
überquerten wir – immer wieder –
die Wasser der Lethe:
dahinter war tatsächlich Ruhe,
wir waren im Reinen,
voller Hoffnung miteinander
und gingen den Hund in Arkadien lüften.

Wenn wir unsere Klassiker gelesen hätten,
hätte uns klar sein können,
dass es nicht unbedingt so bleiben würde.
Zum Glück kannten wir sie nicht,
waren für kurze Zeit frei
und ließen den Hund in die heiligen Haine pinkeln.

 

Ein Schwärmer fährt mit der Bahn aufs Land

Sie singt das Lied Bilbaos –
nicht so sehr des Museums,
sondern der Stadt,
des industriellen Flairs.
Sie kennt die Geographie
und die Aussprache dieser Ortsnamen.

Sie hat diesen Blick,
dieses Aussehen
und dieses gewisse Etwas.
Sie ist aus Hamburg.

Ich habe nicht mal den Mut
Näheres zu erfragen
und muss sowieso aussteigen.

Dann steh’ste in Erkelenz,
aber Herzogenrath bekommt hohen Besuch

und ich kann verschiedene Listen
erweitern...

 

Traum vom Fliegen

Niesel und Wind,
das Wasser sammelt sich in den Niederungen:
Pfützen mit Wellenschlag –
Plastiktüten am Rand
aufgeblasen, flattern im Wind,
sind ganz Möwe.

 

Weltkriegsschrott

Die deutschen U-Boote seien heimgekehrt
am frühen Morgen, einfach so, ohne Jahrestag.
Einfach so tauchten sie auf,
durchbrachen gurgelnd die Wasseroberfläche,
die so ruhig gelegen hatte.

So viele tote Kriegsfreiwillige – alle wieder da
die Ruhigen, die Verzweifelten, die Wahnsinnigen,
die, die gewußt haben und die Fanatischen,
die es nie lernen werden.

Seestraßenbericht:
Weser auf Höhe Farge unpassierbar,
Elbe bis Hamburger Hafen blockiert,
Verlustmeldungen:
Bootsnummern und Orte
Mahnmale
Dieselgeräusche
Signalhupen
Flüsse am Morgen, ruhiger Alltag
Wassergluckern.

Ruhig liegt der Fluss,
flussauf, immer flussauf geht die Fahrt
stetig taktet der Motor.

Biegung des Stroms.
Als wir passieren
bricht das Wasser auf:
ein Turm nach dem anderen taucht auf,
das Wasser läuft ab, die Boote steigen,
die Brücken bleiben unbemannt.

Ruhig, den Kurs beibehaltend
gehn sie flussauf, ungezählte Armada,
kriegsrostig, kommen sie zurück.

immer und immer wieder

 

Innerer Monolog

Als Verliebter sagt er:
Wenn wir Deine Angst
und meine Angst
kleinkriegen,
kann uns nichts mehr bremsen.

Als Verzweifelter dann:
wenn uns Deine Angst
und meine Angst
kleinkriegt,
kann uns nichts mehr bremsen.

Der Ironiker antwortet:
macht doch mal nen Bremsentest.

Und der Freund rät,
den Kopf aus dem Sand zu ziehen
und loszugehen,
jetzt.
Sofort.

 

Löffel

Der Löffel im Becher
der, wäre aus Blech er,
auch so klänge.

Der Löffel im Becher
im Becher der Löffel,
gestanzt aus Blech, er.
Zum Besitz erworben zu kleinstem Preise:
geliehen vom Zivi,
verbogen am Kiwi,
klingelt ne Weise –
zum Glück nur ganz leise

vom fahlen Tee
und Übersee
und Jugendherbergen.

 

 

alle Texte © Jakob F. Dittmar
Texte z.T. viel älter, aber veröffentlicht 2016

 

Auf  medium.com sind mehr Gedichte von Jakob Dittmar veröffentlicht.